Die im Dunklen sieht man nicht

Die blaue Murmel rollt gen Colon, der kleine arme Bruder der Hauptstadt. Am Atlantikhafen des Kanals leben ca. 90.000 Einwohner_innen, darunter viele Menschen afrokaribischer Herkunft. Ihre Vorfahren waren Sklaven und Wanderarbeiter im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Für den Bau der Eisenbahn und des Kanals wurden Menschen von den Antillen und aus Jamaica zwangsrekrutiert.

Ankunft

Schon an der Busstation begegnet uns „die andere Welt“ Panamas: Gewusel, hektisches Geschrei. Schrillbunte surreal anmutende Busse hupen, Müll schwimmt in großflächigen Wasserpfützen. Die Orientierung fällt schwer. Zum Glück liegt das Hotel „Internacional“ nur wenige Meter vom Terminal entfernt.

Der erste Stadtspaziergang schockiert. Wir stolpern durch das heruntergekommene Stadtzentrum mit zahlreichen Ruinen und Leerstand. Menschen leben in tristen Notunterkünften, Müll pflastert die Straßen.

Im Vorfeld riet man uns ab, Colon zu besichtigen, eine der gefährlichsten Städte der Welt, hieß es in den Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes. Eine Taxifahrerin schüttelte eher gelassen und nur verwundert den Kopf über das Reiseziel. „In Colon gibt es nichts zu besichtigen. Einzig die Fahrt in die Freihandelszone zum günstigen Einkauf lohnt. Nie im Leben übernachte ich dort.

In der Tat treffen wir auf keine Touristen. In Forschungslaune spüren wir der Stadtgeschichte und dem Imageproblem Colons nach. Die einst reiche Hafenstadt übernahm in der jüngsten Geschichte Panamas eine Sonderrolle.

Die USA gliederten 1950 Colon aus dem Protektorat der Kanalzone aus. Gleichzeitig wurde die Stadt zur Freihandelszone erklärt. Die Regierung in Panama Stadt investierte kaum ins kulturell afrokaribisch geprägte Colon. Dass Colon die weltweit zweitgrößte Freihandelszone nach Honkong beherbergt, spiegelt sich nicht im Stadtzentrum wider.

Ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung bestätigt: „Colon wurde auf den Hafen und die Freihandelszone reduziert. Die Menschen fühlen sich im Stich gelassen und historisch gesehen waren sie immer die Sklaven bzw. der Nachfahren der Sklaven.

Aus Sicht der mestizisch-weißen Oberschicht tragen die Congos, ehemalige Sklaven wesentlich zum Problem bei. Mit „ihrer laxen Arbeitsmoral“ verweigerten sie sich der Modernität und dem kapitalistischen Arbeitsethos.

Dabei ist der dramatische Niedergang eng mit dem Aufkommen der Containerfrachtschiffe in den 60er Jahren verbunden. Die Arbeitsplätze gingen verloren. Offizielle Statistiken weisen 40 Prozent Arbeitslosigkeit und die extreme Armut an der Karibikküste aus.

Das historische Stadtzentrum in unmittelbarer Nähe zum Hafen erscheint uns als großstädtisches Slumviertel. Männer und Frauen im erwerbsfähigen Alter spielen Domino, stehen für Lotterielose an, sitzen in Grüppchen abwartend am Straßenrand. Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen betteln.
Wie kommen sie ohne eine Sozialversicherung und Transferleistungen über die Runden?

Abends

Unser Hotel wird von kubanischen Händler_innen okkupiert. In der Lobby befindet sich eine Waage. Plastikfolien warten, um die eingekauften Waren für den Transport nach Kuba zu präparieren. Harter und zuweilen lauter kubanischer Slang tönt über die Flure. Reger Telefonverkehr verwandelt das Treppenhaus in ein Callcenter. Über Mobiltelefone halten die Handelsreisenden regen Kontakt zur Familie auf Kuba.

Nach 20.00 Uhr ist das historische Stadtviertel leergefegt. Gespenstische Ruhe kehrt ein. Traut sich niemand auf die Straße? Vereinzelte Nachtschwärmer, Obdachlose, Taxifahrer, ambulante Verkäufer, Bettler und Prostituierte schwirren durch das Viertel. Mangels Alternativen gerät der chinesische Minimarkt um die Ecke zum Hotspot. Er bietet rund um die Uhr kalte Getränke feil.

Parkende Autos werden in eigens dafür vorgesehen Zonen von einem Sicherheitsdienst rund um die Uhr bewacht. Eine Polizeistreife fragt mich verwundert, was ich in Colon suche und ob alles in Ordnung sei.

Am nächsten Morgen

Elisabeth bleibt im Hotel, um einen Blogartikel zu verfassen und sich den deprimierenden Eindruck der Stadt ersparen. Ich mache mich auf den Weg, will mir ein zweites Bild von dieser verstörenden Stadt verschaffen. Sie erinnert mich an Port-au- Prince auf meiner Reise nach Haiti 1982.

Bei dem improvisierten Streifzug stelle ich fest, dass außerhalb des historischen Stadtzentrums die Lebensbedingungen zum Glück augenscheinlich bessere sind. Ein geschäftiger und betriebsamer Alltag wird wahrnehmbar.

Mit den Bewohner_innen komme ich nur mühsam ins Gespräch. Ein gewisses Misstrauen ist spürbar. Und das sprachliche Gemisch aus spanisch, englisch und patois bleibt schwer verständlich.

Erfreulicherweise sind auf den zweiten Blick auch im desaströsen historischen Zentrum Baumaßnahmen im Gange. Unterstützt durch die Weltbank starteten soeben großflächige Sanierungsprojekte insbesondere im Bereich Kanalisation und Häusersanierung.

Aus Sicht meiner Gesprächspartner_innen entzünden sich Konflikte, weil die Menschen für die Dauer der Sanierung in Randbezirken außerhalb untergebracht werden. Dies führe zu Verweigerung. „Die Menschen sind hier sehr eigen“. So kann man das Ergebnis von jahrzehntelanger Versklavung, Ausgrenzung und Rassismus auch interpretieren.



Abreise

Der Bus streift stadtauswärts eine Werbetafel, die ein neues Colon als Vision formuliert. Wir diskutieren unsere Zweifel.

Kann die Sanierung gelingen, solange die Menschen wirtschaftlich, kulturell und sozial ausgegrenzt sind?

Wer hat den Kanal voll?

Der Kanal riecht nach Bananen. Das Obst reist von Lateinamerikas Westküste schockgefroren zu Westeuropas Supermärkten. Gewiss machten sich der kleine Tiger und der kleine Bär entspannt auf dem  gemütlichen Sofa  schlau.
https://de.wikipedia.org/wiki/Panamakanal

Das Redaktionsteam blauemurmel.blog platzierte sich jedoch unter Anspannung an der Schleuse. Bringt es die nötige Geduld auf, die angekündigte Durchfahrt eines beladenen Ozeanriesens zu beobachten?

Besucherscharen drängten am 16. Januar auf die aufgeheizte Aussichtsterrasse. 200 000 junge Menschen reisten zum katholischen Weltjugendtag 2019 und Kanalsightseeing an. Das Thermometer kletterte bereits am Vormittag über 30 Grad. Die Öffnung der Schleuse von Miraflores wurde  drei Stunden später erwartet. Derweil nutzte die pilgernde Jugend das Panama Canal Vistor Center als Selfiepark.

Endlich fiel der erlösende Satz. „Das kann man auch an der Mosel sehen“. Die blaue Murmel zog sich vom Schleusentor zurück.

Natürlich hinkt der Moselvergleich. Wir hielten es frei nach Jean Paul: Wer keine Gelegenheit hat, einen spanischen Mauleselstall von innen zu besichtigen, hat umso mehr Gelegenheit, ihn sich auszudenken… nachzudenken. Die Erfolgsgeschichte des Kanals und ihre Schatten spürten wir bei den Exkursionen in der Kanalzone und gemütlich in der Hängematte schaukelnd auf.

Wer baute das siebentorige Theben und wer den Kanal? https://amerika21.de/analyse/215595/panama-sklaverei

Die Wasserstraße in 82 km Länge verbindet seit 1914 Pazifik und Atlantik.

Um Höhenunterschiede bis zu 26 Meter auszugleichen, ist der Wasserbedarf immens. 200 Millionen Liter Wasser fließen in das Becken, soviel wie die Großstadt München an einem Tag verbraucht. In 15 Stunden queren die Frachter von einem Weltmeer zum anderen, an den Schleusen verzögern sich die Weiterfahrten.

Der zweite Bauabschnitt wurde erst 2016 fertiggestellt. Im Globalisierungsfieber erweiterten und vertieften die Bauherren geschwind binnen von 10 Jahren den  zweiten Kanalarm. Seither passieren Container- und Kreuzfahrschiffe, die 366 m lang, 49 m breit und 15,2 m tief sind. New Panamex heißt die Maßeinheit.

Der Kanalerweiterung ging 2006 eine Volksabstimmung voraus. Ökologen widersprachen, um die Regenwälder am Kanalufer zu schützen. Sie befürchteten weiter sinkende Grundwasserspiegel und die Versalzung des Stausees Gatún als Panamas größtes Trinkwasserreservoir. Zudem landet mit jedem Frachtschiff Schweröl in den Gewässern und Kohlendioxid in der Atmosphäre.

78 Prozent der Befragten stimmten dem Ausbau zu. In unseren Begegnungen mit dem Panama der Gegenwart spüren wir Stolz und Fortschrittsglauben, das Ja zur Lebensader Kanal, ein Verkehrsweg mit nationaler Symbolwirkung.

Jährlich sprudeln ca. 1,8 Milliarden US-Dollar Deviseneinnahmen. Über 8000 Beschäftigte sind in der Verwaltung, der Abfertigung und in der Instandhaltung des Kanals tätig. Je nach Größe, Ladung und Personenzahl zahlen die Schiffseigner bis zu 400.000 Dollar Maut für die einzelne Durchfahrt.

Kleine Segelyachten werden entsprechend geringer zur Kasse gebeten.

Frachtschiffe aus Nordamerika, Westeuropa und zunehmend Chinesen sind  Großkunden, um Zeit und Transportwege einzusparen. 66 Prozent aller Waren, die in den USA be- oder entladen werden, nutzen den Panamakanal am Isthmus zwischen Zentral- und Südamerika.

Ein Rückfluss auf Panamas Ökonomie ist unverkennbar.

Der Lebensstandard ist hoch- wenigstens für die eine Hälfte der Bevölkerung.

Schon Colon, zweitgrößte Stadt Panamas ist von extremer Armut gezeichnet. Mit der Einführung der Containerfrachtschiffe verloren an der Kanalmündung  viele Menschen den Arbeitsplatz. Die goldene Ära des einst blühenden Handelszentrums Colon scheint  für viele Afrokariben passé.

Im 21. Jahrhundert beschleunigt sich dank des Kanals zugleich der Aufschwung des Tourismus als Devisenbringer und Beschäftigungsfaktor. Weil die Kanalzone bis zum 31.12.1999 von den USA besetzt und militärisches Sperrgebiet war, hatte die Biodiversität in den angrenzenden Regenwäldern Bestand.
Mitten in der Hauptstadt Panama und in den angrenzenden Zonen spazieren und wandern internationale Gäste nahe den Wolkenkratzern durch geschützte Naturreservate.

Im neuen Jahrtausend gewann Panama die uneingeschränkte Souveränität über den Kanal. Sicherheitshalber erinnert der Nationalfeiertag am elften Januar an die Okkupation und den Flaggenkrieg 1964. In der Auseinandersetzung um ein Basta der US-amerikanischen Besatzung zogen Panamaer demonstrativ mit der Nationalflagge in okkupiertes Terrain ein. Das US-Militär „grüßte“ mit scharfen Waffen zurück. 64 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt.

Die Spannungen lockerten sich 1977 mit der Verabschiedung der Torrijos- Carter-Verträge, die den Abzug der USA am 31.12.1999 garantierten. Das unveräußerliche Nationaleigentum in den Händen Panamas verpflichtete sich zur Neutralität und lässt darum auch Kriegsschiffe passieren.

Im wunderschönen Stadtteil San Felipe, seit 1997 UNESCO Weltkulturerbe suchten wir das Kanalmuseum auf.

Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts schafften es Menschen zu Pferd oder Esel auf dem Camino Real in 4 Tagen von der Karibik- an die Pazifikküste. Händler zogen den Camino de las Cruces vor, befuhren je nach Strömung in mindestens 7 Tagen den Rio Chagres, der mit seinen 50 km Länge als Nordost-Südwestverbindung in den späteren Kanal integriert wurde.

Goldrausch und technische Errungenschaften wie Dampfmaschinen befeuerten Bauprojekte der frühen Globalisierung. In Tehuantepec (Südmexiko), am Rio San Juan (Nicaragua), in Nordkolumbien– Baumeister und Händler träumten und träumen, die Weltmeere zu verbinden. Der Panamakanal setzte  sich bislang als kürzeste Verbindung durch.

Schwerstarbeitende wurden für den Kanalbau aus Jamaica, Barbados und von anderen karibischen Inseln unter falschen Versprechungen „angeworben“ und jämmerlich entlohnt.

Im Museum der afroantillischen Kultur suchten wir zwischen Alltagsgegenständen vergeblich nach einer tiefgründigen Sozialgeschichte. In der ehemaligen christlichen Missionskirche zeigen 2 Tafeln und eine Lore, dass Afrokariben die Eisenbahnlinie und den Kanal erbauten. Die Vergangenheit wird für uns ohne Gegenwartsbezug dargestellt. Die Mitarbeiterinnen äußerten sich sehr verhalten auf die Frage nach der Lebendigkeit der afrokaribischen Kultur und dem Alltagsrassismus, als ob  in Panama ein Tabu über der Geschichte der Vorfahren  läge.

Das Museum der Biodiversität wurde im Oktober 2014 zum hundertjährigen Jubiläum  der Wasserstraße eröffnet. Panamas einzigartige Biodiversität, seine weltweit artenreichsten Regenwälder wurzeln einerseits in der geologisch vor 3 Millionen Jahren entstandenen Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika. Andererseits basiert sie auf dem Umstand, dass die US-Amerikaner ihren Hinterhof in der Kanalzone militärisch abschirmten, sodass Flora und Fauna bis in die Gegenwart hinein in den geschützten Nationalparks an den Ufern leben.

Architektonisch entworfen wurde das Museum von Frank Gehry als skulpturales Gebäude.
Es hat das Aussehen „eines Stapels von einem Tropensturm durcheinander gewirbelter Schiffcontainer“ lasen wir als Erläuterung.  Die blaue Murmel fühlt sich geborgen im Bauch eines großen bunten Insektes.

Engagierte Freiwillige führten durch die Ausstellung. Eine Architekturstudentin und eine Tänzerin engagieren sich in Nichtregierungsorganisationen für den Umweltschutz.
Nein, Prädidentin von Panama möchte ich nicht sein. Mir gefällt es nicht, Macht auszuüben. Viele Politiker sind korrupt,“ teilte uns Ana mit.

Das Panama Canal Visitor Center erstreckt sich über 4 Etagen an der Schleuse von Miraflores. Technikinteressierte studieren die Geschichte des komplexen und aufwändigen Baus. Besucher_innen  manövrieren mithilfe eines Simulators  Frachtschiffe durch den Kanal.

Im wahren Leben  müssen in Panama selbst erfahrene Kapitäne das Steuer abgeben und den örtlichen Experten  überlassen, um Unfälle zu vermeiden.

Ein Museum für den Fortschrittsglauben, ohne Reflexion, was die Ausweitung des Welthandels bedeutet. Die Blaue Murmel verzichtet auf die Schleusentoröffnung und sucht erstmal Exit, den Ausgang.

Wer hat den Kanal voll?

Wie lässt sich die Globalisierung ökologisch und gerecht gestalten?
Der globale Wettbewerb ist auch in Zentralamerika im vollen Gange.

Nur ein Beispiel:  Im Zuge der neuen Seidenstraße  baut China soeben in Costa Rica den  „Canal seco„, einen sogenannten Kanal über Land.  Straßen und Schienen in 325 km Länge sollen die Meere verbinden.  Der Ausbau der Häfen von Guanacaste und Limon, 3 Flughäfen und Freihandelszonen sind in der Planung. Die Eisenbahnstrecke nach Limon befindet sich bereits im Bau. Um Widerständen vorzubeugen, bleibt die exakte Route quer durch Costa Rica nebulös.
Bislang  zahlt  auch China  noch  hohe Gebühren für die Nutzung des Panamakanals.

 

 

Ländliches Idyll?

Vogelgezwitscher durchbricht die fantastische Stille. Die grüne Hügellandschaft lockt zu langen Spaziergängen. Einheimische freuen sich über einen Plausch. Ebi wird von einer Auswanderin aus Deutschland mit frischer hausmacher Leberwurst auf Roggenbrot versorgt. Gegrillten Fisch mit Reis und Bohnen verspeisen wir in der Garküche am Straßenrand. Auf Mountainbikes erreichen wir mühelos den weiten Meeresstrand. Abends stöbern wir in Die ZEIT im handlichen ebpub- Format. Im Blick haben wir unsere Sandalen, die der übermütige Hund des Nachbarn mehrfach stahl.
Kurz vor Sonnenaufgang spiegelt sich im Vollmond über uns die blaue Murmel.
Aber auch: Ein nahezu ausgetrocknetes Flussbett im pazifischen Trockengürtel; die Dorfjugend, die in die Städte zieht und Alte zurücklässt; europäische Auswandernde, die hart arbeiten, um sich auf den weiten Flächen Lebensträume zu verwirklichen und eine Existenz aufbauen; bunte Lebensgeschichten, Scheidungsklatsch; ein Deutscher, der sich als Reichsbürger zu erkennen gibt.


Magnetdorf für Aussteiger_innen


Im öffentlichen Bus donnern wir über die vierspurig ausgebaute Panamericana. Sie verbindet Costa Rica mit Panama Stadt.

Großflächige Weideflächen prägen die Landschaft der Provinz Chiriqui nahe der Pazifikküste, sichtbare Folgen des massiven Waldeinschlages seit den 50er Jahren.

Ein Abzweig führt in das Dorf Las Lajas. Hier leben die Menschen von kleinbäuerlicher Landwirtschaft und Viehzucht.

Seit einigen Jahren wächst eine touristische Infrastruktur.

Auffällig viele Europäer_innen betreiben Hostals, die beiden Hotelanlagen und kleine Restaurants. Las Lajas stecke „„in den Kinderschuhen des Tourismus“ hören wir vielstimmig auf Italienisch, Katalanisch sowie z. B. in sächsischen, pfälzischen, norddeutschen Dialekten. Während Reisende zumeist nur die Fahrt nach Panama Stadt unterbrechen, mieten wir uns ruhesuchend als Dauergäste in einem Hostal ein.

Karola hat sich mit ihrem Mann vor 2 Jahren im Dorf niedergelassen. Sie erzählt ihre Beweggründe. „Ursprünglich träumten wir vom Vorruhestand an der Karibikküste Costa Ricas. Durch den Massentourismus hat sich Puerto Viejo sehr zum Nachteil verändert. Wir entschieden uns für das verschlafene Dorf Las Lajas. In Panama erhält man absolut unbürokratisch eine Aufenthaltserlaubnis, Land, eine Baugenehmigung und die Möglichkeit, ein Gewerbe zu betreiben.

Schnell bestätigt sich für uns der besondere Charme des Dorfes: Ein weiter Himmel, wenig Autoverkehr, kaum Touristen, freundliche Menschen, Bistros mit wunderbarem Essen und vernünftigen Preisen, italienische Pizzeria- und Eissalonbetreiber, chinesische Supermärkte für den täglichen Bedarf. Ein von einem Deutschen geführtes Restaurant mit „echtem Schnitzel wie zu Hause“ wird uns empfohlen. Wir lehnen den gutgemeinten Rat dankend ab.

Ein Wassercheck

Die Landschaft gleicht einem Flickenteppich und variiert zwischen Viehweiden, Zuckerrohrfeldern, kleinen Waldflächen und vereinzelt tropischem Regenwald.


An den 12 km entfernten Pazifikstrand radeln wir durch eine durstige Vegetation:
Verbranntes Weidegras,
Bäume, die ihre Blätter verlieren, nahezu ausgetrocknete Flüsse.

Eine Nachbarin erklärt „Hier hat es schon seit Ende November nicht mehr geregnet. Normalerweise endet die Regenzeit erst im Januar. Die Zyklen verschieben sich, auch fällt weniger Niederschlag. Dazu kann es bis zu 40 Grad heiß werden“.

Der pazifische Trockengürtel erstreckt sich von Kalifornien bis nach Panama. Den Wassermangel in der „zona seca“, bezeichnen die Ausgewanderten im Gespräch mit uns als undramatisch. Man verfüge über einen Brunnen auf dem eigenen Grundstück. Deutlich beunruhigter zeigen sich Einheimische über die Wetterkapriolen.
Das Klimaphänomen „El Nino“ droht in kürzeren Intervallen aufzutreten. Die zentralamerikanische Dürrekatastrophe von 2014 ist in den Köpfen der Einheimischen präsent.

Ach, Glück

Die Kreisstadt San Felix feiert am Wochenende ihr Patronatsfest. Junge Männer warten vor der aufgebauten Arena auf die Gaudi, sich auf dem Rücken eines Stiers zu halten. Jung und Alt genießen am Dorfplatz die Feststimmung.

Wir flüchten vor der extremen Lautstärke. Einen Stier bekommen wir nicht zu Sicht, wohl aber stolze Reiter zu Pferd.

Bei unseren Wanderungen erleben wir die freundliche Gelassenheit der Panamenos.
Im international erforschten Glücksindex liegt Panama vorn. Das Leben scheint mit einer langsameren Gangart gut zu bewältigen.

Quer dazu steht unser Wissen um die extreme Ungleichhheit und Armut im Land. In den indigenen Dörfer herrscht eine hohe Kindersterblichkeit, Menschen ohne Arbeit haben in den städtischen Randzonen keinen Zugang zum Kuchen.

Indigener Widerstand

Wir strampeln auf den Drahteseln in die nahegelegene „Conmarca“ der Ngöbe-Indigenen. Entlang der Panamerica und in den angrenzenden Bergen leben Mestizen und Ngöbe- Indigene. Die Kreisstadt San Felix dient als Handels- und Verwaltungszentrum für beide Gruppen. 
Die gute Infrastruktur rund um San Felix überrascht uns: Asphaltierte Straßen, Trinkwasser- und Stromversorgung und eine große Busstation, die regelmäßig angefahren wird. Große Tafeln informieren über den Ausbau der Infrastruktur durch die Regierung.

Benjamin, der Volksgruppe der Ngöbe-Bugle zugehörig, arbeitet als Erntehelfer. Nur in Küstennähe bestehe eine adäquate Infrastruktur. In den Bergregionen, in der die meisten Indigenen leben, sehe die Welt anders aus.

Uns mangelt es an Straßen und Brücken, damit wir unsere Produkte zu den Märkten bringen können. Unsere Kinder müssen zum Teil Stunden zurücklegen, um zu den Schulen zu kommen. Viele unserer Dörfer haben noch keinen Anschluss an Trinkwasser. Armut ist bei den Indigenen überproportional -trotz aller staatlichen Sozialprogramme- häufig anzufinden. Begleitet durch Ausgrenzung, Vorurteile und Ausbeutung, wenn sie als Tagelöhner für die Grundbesitzer arbeiten.“

Die Ngöbe zählen wie weitere 6 indigene Bevölkerungsgruppen zu den Ärmsten. Die gesetzlich zugesicherte Teilautonomie wurde in der Vergangenheit häufig ausgehöhlt. Aus Protest gegen ein geplantes Wasserkraftwerk und ein Bergbauprojekt blockierten die Ngöbe 2012 für mehrere Tage die Panamericana. Sie legten die zentrale Ost-West- Verkehrsachse des Landes lahm.

Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei starben Menschen. Schließlich wurden die Projekte aufgrund des Widerstands aufgegeben.
Im Rahmen eines Moratoriums sicherte man den Indigenen 2016 mehr Transparenz und Mitsprache bei Großprojekten sowie zahlreiche Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur zu. Die Weltbank beteiligt sich an der Finanzierung.

Ist diese Strategie der Armutsbekämpfung nachhaltig?

https://www.adveniat.de/informieren/aktuelles/panama-lebensqualitaet-der-indigenen-verbessern/

Panama- Puzzle

Zufällig lernen wir den Lastwagenfahrer Felix während einer Reifenpanne kennen. Er transportiert in harter körperlicher Arbeit Baumaterialien aus dem den nahegelegenen Steinbruch. Schulbildung war ihm nicht vergönnt.  Wie er den Lastwagen aus tausend Einzelteilen wieder fahrtüchtig macht, bleibt uns ein Rätsel.

Auch wir puzzeln, sortieren die Eindrücke aus dem diversen Land am Isthmus.  Unsere nächste Station: Die Hafenstadt Colon, der arme schwarze  Bruder von Panama Stadt an der Mündung des Kanals in den Atlantik.

Yuri

Yuri moderiert. Die 26-jährige Sozialarbeiterin lud uns zu einer Buchvorstellung nach David, in die Hauptstadt der Provinz Chiriqui ein. Ohne ihre Hilfe hätten wir das Kulturzentrum nicht gefunden. Der Himmel über Panama verdunkelt sich bereits um 19:00 Uhr. Spärlich gesät sind Straßenlaternen im Vorort.

Im Saal sitzen 10 Zuhörende.

Der Autor Juan Rios Vega widmete sich mit seinem Buch einem Tabuthema. In „Historias desde el Sexilio“ porträtierte er reale Lebensgeschichten. Mutig dokumentierte er schwierige Coming-Out -Prozesse und die Diskriminierung, die Menschen in Panama aufgrund ihrer sexuellen Orientierung erfahren. „Früher haben wir uns versteckt, jetzt zeigen wir uns“, erklärt uns der Verfasser, der als Sozialwissenschaftler an einer us-amerikanischen Universität tätig ist. Yuri bekräftigt: „Erst seit 2014 erlauben Panamas Schulen Sexualaufklärung. Dagegen zog soeben die Partido Patriótico der neuen Rechten auf die Straße. Sie mobilisieren im Wahlkampfjahr 2019 zudem gegen die Gleichstellung der Ehe. Der versuchte Stimmenfang bedroht die Demokratie und Menschenrechte.“

Yuris verweist auf Netzwerke, die politische Aktionen organisieren. Kapitalismuskritik und der Kampf für Frauenrechte stehen für sie im Vordergrund.

Ovarios“ und „El Colectivo“ fänden wir bei Facebook und Youtube. „Es sind Aktionsplattformen, offizielle Mitgliedschaften gibt es nicht. Die Menschen zu sensibilisieren ist wichtig, Partizipation ist entscheidend, mitmachen zu können. Gerade sind die Frauen in weiße Laken gehüllt gegen Feminizide auf die Straße gegangen.“
Vergeblich suchen wir im Netz nach einer Homepage mit einem Grundsatzprogramm oder Zielen, um uns zu orientieren. Wir fühlen uns ein bisschen alt.

https://www.facebook.com/elkolectivo/

https://tenerovarios.wordpress.com/

Yuri schreibt Gedichte, soweit ihr die Erwerbsarbeit als Spanischlehrerin Zeit lässt. Noch unterrichtet sie an einer Landwirtschaftsschule mit allen Mühen, die jungen Erwachsenen nebenbei für Poesie und Genderfragen zu sensibilisieren. Als Quereinsteigerin kittet sie den Lehrermangel. Gerade bewarb sie sich in Panama – Stadt für ein Weiterbildungsstudium in Gender-Studies, eine ihrer Herzensangelegenheiten, wie auch die Kunst.

Als Studentin fand Yuri den Kontakt zur Künstlergruppe El Kolectivo, die seit 10 Jahren mit Wandmalereien auf politische Missstände im Land aufmerksam macht.“Nein, ich male nicht. Ich bin Dichterin“, erklärt sie uns.

Den Kontakt zu Yuri stellte ihre Freundin aus Costa Rica für uns her. „Panama und Costa Rica, zwei Staaten mit jeweils 4 Millionen Einwohner_innen, wir sind so klein, wir kennen uns alle“, lacht sie.

Dann eilt Yuri zum Nachtbus. Morgen Früh muss sie im Bewerbungsgespräch fit sein. Für ihr Stipendium drücken wir ihr ganz deutsch die Daumen. Ihre Energie schwingt in uns nach, auch Yuri lüden wir gerne zum Open Ohr Festival nach Mainz ein, zu einem Seminar über soziale Bewegungen.
Was für eine kluge und herzliche Frau.

Schön, dass uns Maler Antonio ins Hostal zurückbringen kann. Der Zufall ist willkommen. Während der einstündigen Autofahrt erhalten wir Tipps für Kunstausstellungen und Malkurse, die Antonio organisiert.

Warum hat er sein Wohnhaus in der Stadt David als Kulturzentrum geöffnet? „Meine Familie lebt in Panama Stadt. Ich habe den Raum und kann Künstler_innen fördern, die keine Hilfen vom Staat erhalten.“

Auf den Inseln, in den Bergen

Die blaue Murmel rollt am 11. Januar südöstlich gen Panama, zufällig am Nationalfeiertag. Er erinnert an „Märtyrer_innen“. 1964 wurden 27 Menschen bei einer Demonstration von US- Soldaten erschossen, mehrere Hundert verletzt. Sie protestierten gegen die Besetzung der Kanalzone durch die USA.

Im Grenzgebiet überwiegen weite Bananenfelder mit künstlichen Siedlungen. Chiquitas Bananenrepublik baut für die Angestellten unmittelbar am Feldrand Unterkünfte. Noch befinden uns wir in Costa Rica.

In der Warteschlange für den Ausreisestempel lernen wir Mutter und Tochter aus Mendoza kennen.

Kurzweilig katapultieren sie uns nach Argentinien, wir spitzen die Ohren. Frauenmorde gehören ebenfalls am südlichsten Zipfel Lateinamerikas zur traurigen Wahrheit. In ihrem Land leisten die beiden Kinder- und Jugendpsychologinnen Präventionsarbeit und Traumabewältigung.

Über den breiten Grenzfluss führt eine Fußgängerbrücke. Junge Männer verladen das Gepäck der Reisenden auf Handkarren. Wir stapfen neugierig los.

Auf dem Zickzackweg im Niemandsland verlaufen wir uns. Schwer bewaffnete Grenzpolizisten weisen uns den Weg. Geduldig reihen wir uns zur Passkontrolle vor Panama ein. Das Gebäude ähnelt einem öden Bahnhof. Nach 2 Stunden geduldigen Wartens fragen wir uns, ob Tourismus erwünscht ist. Wir lieben offene Grenzen. Am einzigen Schalter misst der Beamte uns biometrisch Gesicht und Fingerabdrücke. Er kommandiert hinter der Glasscheibe in undeutlichem Englisch „face“, „thumb“.

Am Nachmittag erreichen wir den Hafen Altamirante an der Karibikküste. Mit einem Wassertaxi setzen wir zur Inselgruppe Bocas del Toro über. Konzentriert umklammern wir unser Hab und Gut, während das kleine Boot gegen die Wellen schlägt und die Rucksäcke mit Gischt pökelt.

Hektische Bootsleute verfrachten uns in Colon angekommen gleich in eine weitere Nussschale.

Die Nachbarinsel Bastimento wählten wir zum Domizil. Sie ist ausschließlich zu Fuß begehbar. Unser Hostal trägt den verführerischen Namen „Dreamcatcher“. Ein junges Pärchen aus El Salvador betreibt das Hotelito mit vegetarischem Restaurant. Der Kontinent rückt zusammen- unterwegs lernen wir überall Lateinamerikaner_innen kennen.

Bastimento ist durch die afrokaribische Kultur geprägt. Die Menschen verständigen sich in einem Gemisch aus patois, englisch, französisch und spanisch. Ihre Vorfahren litten als westafrikanische Sklaven. Zuletzt wurden für den Eisenbahnbau im 19. Jahrhundert und den Kanalbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts Menschen aus Jamaica „angeworben“, um unter sklavenähnlichen Bedingungen Meisterwerke der Ingenieurkunst zu errichten.

Der geschützte Naturpark Bastimento besteht aus undurchdringlichem Dschungel. Die wenigen Strände sind mit einer Ausnahme nur per Wassertaxis erreichbar. 3 Dollar kostet ein Katzensprung.

Das Dorf ist schnell erkundet.

Wanderlustig kämpfen wir uns durch rutschige Dschungelpfützen. Hätte es im Dezember ausreichend geregnet, wäre der Trampelpfad nicht begehbar.

Am Ende des schweißtreibenden Fußmarsches belohnt uns ein Traumstrand, der viele Reiseführer zu Panama schmückt.

Ein freundlicher Polizist bewacht die wenigen Besuchet_innen. „In den letzten Jahren hat der Tourismus sehr stark zugenommen. Leider gab es Vorfälle, die nicht schön waren. Darum sind wir jetzt präsent. Die Gäste sollen sich sicher fühlen.“

Obwohl es in jeder Nacht wolkenbruchartig auf unser Wellblechdach schüttet, beunruhigt der Wassermangel die Anwohnenden. „Es hat in den letzten Monaten zu wenig geregnet. Unsere Tankreserven reichen nicht für die wachsenden Besucherzahlen auf der Insel,“ erfahren wir im Infocenter.

Mit dem Ausfall der Dusche arrangieren wir uns. Übel stößt uns die Vermüllung auf. Gerne hätten wir „ El Presidente“ der Insel befragt, leider ist er nicht auffindbar. Der Gemeindearbeiter, der täglich Plastikmüll, Aludosen und Flaschen am Uferweg beseitigt, schimpft: „Unsere Leute kooperieren nicht und werfen alles einfach weg. Seitdem ich diesen Job mache, ist es noch schlimmer. Vielleicht liegt es auch daran, dass mehr Touristen kommen.“ Innerhalb der letzten 5 Jahre sind die Touristenzahlen um 40 Prozent gestiegen.

Am dritten Tag ziehen wir auf die deutlich größere Nachbarinsel Colon um. Kolumbus legte schon auf seiner letzten Reise im Jahr 1502 an. Bonbonfarbene Häuser auf Stelzen sowie Calypso- und Salsa-Musik heißen uns willkommen. Touranbieter werben für Bootsausflüge zu touristischen Highlights. Surfen, Tauchen, Schnorcheln, mit Delfinen schwimmen, Seesterne bestaunen- natürlich alles zum „Good price for you amigo“. Rucksackreisende ziehen mit ihren Surfbrettern durch das bunte Menschengewimmel. Business everywhere. Unser Abendessen im israelischen Restaurant fällt aus, weil es am Sabbat geschlossen hat.

Indigene Frauen der Ngöbe- Ethnie geben sich im Straßenbild in farbenfrohen, knöchellangen bestickten Kleidern zu erkennen. Sie leben zurückgezogen im Inneren der Insel in ihrer Comarca, d.h. einem halbautonomen Territorium. Im Regenwald betreiben sie kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft. Transferleistungen des Staates ergänzen das Einkommen. Exkursionen von Touristen_innen zu ihnen seien unerwünscht.

Unzählige Supermärkte versorgen die Inselbevölkerung. Der Lebensmittelhandel befindet sich zu 90 Prozent in chinesischer Hand. 10-jährige Kinder blicken an der Kasse müde vom elektronischen Spielzeug auf, um unseren Einkauf an Joghurt und das Trinkwasserfässchen abzurechnen. An sieben Tagen in der Woche haben die Inhaber bis in die späten Abendstunden ihre Läden geöffnet.

Kind und Kegel wohnen dem Anschein nach neben den Warenregalen. Der Anteil der chinesischen Bevölkerung wird auf rund 4 Prozent unter den 4 Millionen Panamaer_innen geschätzt. Ihr Einfluss könnte zunehmen. Seit im Jahre 2000 Panama die volle Souveränität über die Kanalzone inne hat, tritt in den letzten Jahren China verstärkt als Investor und Kreditgeber für Großprojekte auf. Private chinesische Unternehmen kofinanzieren Wasserkraftwerke, Autobahnen, Eisenbahnlinien und Bergbauprojekte. Am 17. Januar 2019 titelt eine regionale Tageszeitung „Wir wollen weder eine Kolonie der USA noch von China sein.“

Wie bei den Afrokariben ist die Migrationsgeschichte der Chinesen_innen eng mit dem Bau der Eisenbahn und des Kanals verbunden. Sie wurden gleichfalls faktisch versklavt, um die körperliche Schwerstarbeit für die kolonialen Investoren und Herrscher des Landes zu verrichten. Verzweifelt nahmen sich viele Chinesen während der Baumaßnahmen das Leben. Dass sie sich heute für die Gesellschaft Panamas wenig öffnen und eher in ihrer Community verharren, hören wir häufiger von unseren Gesprächspartner_innen. Stimmt das?

Abseits der touristischen Flanierweile wirkt die Inselwelt ärmlich.

Menschen wohnen hinter Brettern, überall liegt achtlos Müll herum.

Endlich können wir radfahren.

Vorbei an Karibikstränden führt eine asphaltierte Straße 17 km quer durch Regenwald. Schnell träumen wir aus. Herumwirbelnder Plastikmüll und Abwasserrohre münden ins Meer.

In Strandnähe bauten Gutbetuchte Privathäuser, Restaurants und Hotels.

Unterwegs kommen wir mit Ingenieur Daniel und seiner Familie ins Gespräch. Vor seiner Rente arbeitete er im größten Wasserkraftwerk des Landes La Fortuna. „Panama hat in den letzten Jahren viel in erneuerbare Energien mit ausländischem Kapital investiert. Die Entwicklung hinkt jedoch im Vergleich zum Nachbarland Costa Rica nach.“

Nach sechs Tagen führt uns ein Wassertaxi aufs Festland zurück. Der Bus quert das Hochgebirge mit Blick auf den Vulkan Barú in 3477 Metern, höchster Berg des Landes. Die Wasserscheide zwischen Pazifischem und Atlantischem Ozean kennzeichnet eine Tafel.

Staunend genießen wir die dichten Wälder im Gebirge. In Boquete, auf 1.200 Metern Höhe in Panamas größtem Kaffeeanbaugebiet mieten wir ein Zimmer. Wir suchen Ruhe und wandern.

Der großen Kaffee- und Blumenmesse mit musikalischen Begleitprogramm gehen wir aus dem Weg.

Im Städtchen treffen wir auf unerwarteten Luxus. Der Lebensstandard scheint mit us-amerikanischen bzw. mitteleuropäischen Maßstäben vergleichbar.

Reiche Rentner aus Nordamerika und Europa lassen sich im milden Klima nieder. Die Infrastruktur, Verkehrsanbindungen, der Golfplatz und eine hochpreisige Gastronomie entsprechen.

Der ökologische Supermarkt deckt alle Wünsche für zugereiste Dauergäste ab, vorausgesetzt sie sind bereit, die hohen Preise zu bezahlen. Beeindruckend ausgestattet ist die öffentlich zugängliche Bibliothek in Hand einer privaten Stiftung.

Panama zieht, im Steuerparadies lässt sich Geld am heimischen Fiskus vorbei anlegen. Zudem sind die Investitionsbedingungen unbürokratisch, steuerfrei und daher günstig.

Bewohner_innen Boquetes, die nicht vom Kuchen profitieren, bilanzieren: „Das Leben hat sich durch die zahlungskräftigen Tourist_innen und „Residentes“ extrem verteuert. Mein Mann bewirtschaftet als kleiner Kaffeebauer 2 ha. Wir kommen kaum über die Runden.“