Ländliches Idyll?

Vogelgezwitscher durchbricht die fantastische Stille. Die grüne Hügellandschaft lockt zu langen Spaziergängen. Einheimische freuen sich über einen Plausch. Ebi wird von einer Auswanderin aus Deutschland mit frischer hausmacher Leberwurst auf Roggenbrot versorgt. Gegrillten Fisch mit Reis und Bohnen verspeisen wir in der Garküche am Straßenrand. Auf Mountainbikes erreichen wir mühelos den weiten Meeresstrand. Abends stöbern wir in Die ZEIT im handlichen ebpub- Format. Im Blick haben wir unsere Sandalen, die der übermütige Hund des Nachbarn mehrfach stahl.
Kurz vor Sonnenaufgang spiegelt sich im Vollmond über uns die blaue Murmel.
Aber auch: Ein nahezu ausgetrocknetes Flussbett im pazifischen Trockengürtel; die Dorfjugend, die in die Städte zieht und Alte zurücklässt; europäische Auswandernde, die hart arbeiten, um sich auf den weiten Flächen Lebensträume zu verwirklichen und eine Existenz aufbauen; bunte Lebensgeschichten, Scheidungsklatsch; ein Deutscher, der sich als Reichsbürger zu erkennen gibt.


Magnetdorf für Aussteiger_innen


Im öffentlichen Bus donnern wir über die vierspurig ausgebaute Panamericana. Sie verbindet Costa Rica mit Panama Stadt.

Großflächige Weideflächen prägen die Landschaft der Provinz Chiriqui nahe der Pazifikküste, sichtbare Folgen des massiven Waldeinschlages seit den 50er Jahren.

Ein Abzweig führt in das Dorf Las Lajas. Hier leben die Menschen von kleinbäuerlicher Landwirtschaft und Viehzucht.

Seit einigen Jahren wächst eine touristische Infrastruktur.

Auffällig viele Europäer_innen betreiben Hostals, die beiden Hotelanlagen und kleine Restaurants. Las Lajas stecke „„in den Kinderschuhen des Tourismus“ hören wir vielstimmig auf Italienisch, Katalanisch sowie z. B. in sächsischen, pfälzischen, norddeutschen Dialekten. Während Reisende zumeist nur die Fahrt nach Panama Stadt unterbrechen, mieten wir uns ruhesuchend als Dauergäste in einem Hostal ein.

Karola hat sich mit ihrem Mann vor 2 Jahren im Dorf niedergelassen. Sie erzählt ihre Beweggründe. „Ursprünglich träumten wir vom Vorruhestand an der Karibikküste Costa Ricas. Durch den Massentourismus hat sich Puerto Viejo sehr zum Nachteil verändert. Wir entschieden uns für das verschlafene Dorf Las Lajas. In Panama erhält man absolut unbürokratisch eine Aufenthaltserlaubnis, Land, eine Baugenehmigung und die Möglichkeit, ein Gewerbe zu betreiben.

Schnell bestätigt sich für uns der besondere Charme des Dorfes: Ein weiter Himmel, wenig Autoverkehr, kaum Touristen, freundliche Menschen, Bistros mit wunderbarem Essen und vernünftigen Preisen, italienische Pizzeria- und Eissalonbetreiber, chinesische Supermärkte für den täglichen Bedarf. Ein von einem Deutschen geführtes Restaurant mit „echtem Schnitzel wie zu Hause“ wird uns empfohlen. Wir lehnen den gutgemeinten Rat dankend ab.

Ein Wassercheck

Die Landschaft gleicht einem Flickenteppich und variiert zwischen Viehweiden, Zuckerrohrfeldern, kleinen Waldflächen und vereinzelt tropischem Regenwald.


An den 12 km entfernten Pazifikstrand radeln wir durch eine durstige Vegetation:
Verbranntes Weidegras,
Bäume, die ihre Blätter verlieren, nahezu ausgetrocknete Flüsse.

Eine Nachbarin erklärt „Hier hat es schon seit Ende November nicht mehr geregnet. Normalerweise endet die Regenzeit erst im Januar. Die Zyklen verschieben sich, auch fällt weniger Niederschlag. Dazu kann es bis zu 40 Grad heiß werden“.

Der pazifische Trockengürtel erstreckt sich von Kalifornien bis nach Panama. Den Wassermangel in der „zona seca“, bezeichnen die Ausgewanderten im Gespräch mit uns als undramatisch. Man verfüge über einen Brunnen auf dem eigenen Grundstück. Deutlich beunruhigter zeigen sich Einheimische über die Wetterkapriolen.
Das Klimaphänomen „El Nino“ droht in kürzeren Intervallen aufzutreten. Die zentralamerikanische Dürrekatastrophe von 2014 ist in den Köpfen der Einheimischen präsent.

Ach, Glück

Die Kreisstadt San Felix feiert am Wochenende ihr Patronatsfest. Junge Männer warten vor der aufgebauten Arena auf die Gaudi, sich auf dem Rücken eines Stiers zu halten. Jung und Alt genießen am Dorfplatz die Feststimmung.

Wir flüchten vor der extremen Lautstärke. Einen Stier bekommen wir nicht zu Sicht, wohl aber stolze Reiter zu Pferd.

Bei unseren Wanderungen erleben wir die freundliche Gelassenheit der Panamenos.
Im international erforschten Glücksindex liegt Panama vorn. Das Leben scheint mit einer langsameren Gangart gut zu bewältigen.

Quer dazu steht unser Wissen um die extreme Ungleichhheit und Armut im Land. In den indigenen Dörfer herrscht eine hohe Kindersterblichkeit, Menschen ohne Arbeit haben in den städtischen Randzonen keinen Zugang zum Kuchen.

Indigener Widerstand

Wir strampeln auf den Drahteseln in die nahegelegene „Conmarca“ der Ngöbe-Indigenen. Entlang der Panamerica und in den angrenzenden Bergen leben Mestizen und Ngöbe- Indigene. Die Kreisstadt San Felix dient als Handels- und Verwaltungszentrum für beide Gruppen. 
Die gute Infrastruktur rund um San Felix überrascht uns: Asphaltierte Straßen, Trinkwasser- und Stromversorgung und eine große Busstation, die regelmäßig angefahren wird. Große Tafeln informieren über den Ausbau der Infrastruktur durch die Regierung.

Benjamin, der Volksgruppe der Ngöbe-Bugle zugehörig, arbeitet als Erntehelfer. Nur in Küstennähe bestehe eine adäquate Infrastruktur. In den Bergregionen, in der die meisten Indigenen leben, sehe die Welt anders aus.

Uns mangelt es an Straßen und Brücken, damit wir unsere Produkte zu den Märkten bringen können. Unsere Kinder müssen zum Teil Stunden zurücklegen, um zu den Schulen zu kommen. Viele unserer Dörfer haben noch keinen Anschluss an Trinkwasser. Armut ist bei den Indigenen überproportional -trotz aller staatlichen Sozialprogramme- häufig anzufinden. Begleitet durch Ausgrenzung, Vorurteile und Ausbeutung, wenn sie als Tagelöhner für die Grundbesitzer arbeiten.“

Die Ngöbe zählen wie weitere 6 indigene Bevölkerungsgruppen zu den Ärmsten. Die gesetzlich zugesicherte Teilautonomie wurde in der Vergangenheit häufig ausgehöhlt. Aus Protest gegen ein geplantes Wasserkraftwerk und ein Bergbauprojekt blockierten die Ngöbe 2012 für mehrere Tage die Panamericana. Sie legten die zentrale Ost-West- Verkehrsachse des Landes lahm.

Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei starben Menschen. Schließlich wurden die Projekte aufgrund des Widerstands aufgegeben.
Im Rahmen eines Moratoriums sicherte man den Indigenen 2016 mehr Transparenz und Mitsprache bei Großprojekten sowie zahlreiche Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur zu. Die Weltbank beteiligt sich an der Finanzierung.

Ist diese Strategie der Armutsbekämpfung nachhaltig?

https://www.adveniat.de/informieren/aktuelles/panama-lebensqualitaet-der-indigenen-verbessern/

Panama- Puzzle

Zufällig lernen wir den Lastwagenfahrer Felix während einer Reifenpanne kennen. Er transportiert in harter körperlicher Arbeit Baumaterialien aus dem den nahegelegenen Steinbruch. Schulbildung war ihm nicht vergönnt.  Wie er den Lastwagen aus tausend Einzelteilen wieder fahrtüchtig macht, bleibt uns ein Rätsel.

Auch wir puzzeln, sortieren die Eindrücke aus dem diversen Land am Isthmus.  Unsere nächste Station: Die Hafenstadt Colon, der arme schwarze  Bruder von Panama Stadt an der Mündung des Kanals in den Atlantik.

Autor: blauemurmel

Elisabeth Henn & Ebi Wolf 55294 Bodenheim

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