Yuri moderiert. Die 26-jährige Sozialarbeiterin lud uns zu einer Buchvorstellung nach David, in die Hauptstadt der Provinz Chiriqui ein. Ohne ihre Hilfe hätten wir das Kulturzentrum nicht gefunden. Der Himmel über Panama verdunkelt sich bereits um 19:00 Uhr. Spärlich gesät sind Straßenlaternen im Vorort.
Im Saal sitzen 10 Zuhörende.
Der Autor Juan Rios Vega widmete sich mit seinem Buch einem Tabuthema. In „Historias desde el Sexilio“ porträtierte er reale Lebensgeschichten. Mutig dokumentierte er schwierige Coming-Out -Prozesse und die Diskriminierung, die Menschen in Panama aufgrund ihrer sexuellen Orientierung erfahren. „Früher haben wir uns versteckt, jetzt zeigen wir uns“, erklärt uns der Verfasser, der als Sozialwissenschaftler an einer us-amerikanischen Universität tätig ist.
Yuri bekräftigt: „Erst seit 2014 erlauben Panamas Schulen Sexualaufklärung. Dagegen zog soeben die Partido Patriótico der neuen Rechten auf die Straße. Sie mobilisieren im Wahlkampfjahr 2019 zudem gegen die Gleichstellung der Ehe. Der versuchte Stimmenfang bedroht die Demokratie und Menschenrechte.“
Yuris verweist auf Netzwerke, die politische Aktionen organisieren. Kapitalismuskritik und der Kampf für Frauenrechte stehen für sie im Vordergrund.
„Ovarios“ und „El Colectivo“ fänden wir bei Facebook und Youtube. „Es sind Aktionsplattformen, offizielle Mitgliedschaften gibt es nicht. Die Menschen zu sensibilisieren ist wichtig, Partizipation ist entscheidend, mitmachen zu können. Gerade sind die Frauen in weiße Laken gehüllt gegen Feminizide auf die Straße gegangen.“
Vergeblich suchen wir im Netz nach einer Homepage mit einem Grundsatzprogramm oder Zielen, um uns zu orientieren. Wir fühlen uns ein bisschen alt.
https://www.facebook.com/elkolectivo/
https://tenerovarios.wordpress.com/
Yuri schreibt Gedichte, soweit ihr die Erwerbsarbeit als Spanischlehrerin Zeit lässt. Noch unterrichtet sie an einer Landwirtschaftsschule mit allen Mühen, die jungen Erwachsenen nebenbei für Poesie und Genderfragen zu sensibilisieren. Als Quereinsteigerin kittet sie den Lehrermangel. Gerade bewarb sie sich in Panama – Stadt für ein Weiterbildungsstudium in Gender-Studies, eine ihrer Herzensangelegenheiten, wie auch die Kunst.
Als Studentin fand Yuri den Kontakt zur Künstlergruppe El Kolectivo, die seit 10 Jahren mit Wandmalereien auf politische Missstände im Land aufmerksam macht.“Nein, ich male nicht. Ich bin Dichterin“, erklärt sie uns.
Den Kontakt zu Yuri stellte ihre Freundin aus Costa Rica für uns her. „Panama und Costa Rica, zwei Staaten mit jeweils 4 Millionen Einwohner_innen, wir sind so klein, wir kennen uns alle“, lacht sie.
Dann eilt Yuri zum Nachtbus. Morgen Früh muss sie im Bewerbungsgespräch fit sein. Für ihr Stipendium drücken wir ihr ganz deutsch die Daumen. Ihre Energie schwingt in uns nach, auch Yuri lüden wir gerne zum Open Ohr Festival nach Mainz ein, zu einem Seminar über soziale Bewegungen.
Was für eine kluge und herzliche Frau.
Schön, dass uns Maler Antonio ins Hostal zurückbringen kann. Der Zufall ist willkommen. Während der einstündigen Autofahrt erhalten wir Tipps für Kunstausstellungen und Malkurse, die Antonio organisiert.
Warum hat er sein Wohnhaus in der Stadt David als Kulturzentrum geöffnet? „Meine Familie lebt in Panama Stadt. Ich habe den Raum und kann Künstler_innen fördern, die keine Hilfen vom Staat erhalten.“