Bei der Fahrt nach Puerto Limon, Costa Ricas größter Hafen an der Karibikküste stockt uns der Atem angesichts der gigantischen Container. Die aufgestapelten Metallkäfige tragen die Namen multinationaler Konzerne. Das Bild vom Agrarexportland Costa Rica brennt sich ebenso beim Blick auf schier endlose Bananenfelder ein. Auf der Suche nach guten Geschichten nimmt die blaue Murmel Kontakt zu einer biologisch- und fairen Bananenfarm auf.
Beschwingte Rhythmen dringen durch die Gitterstäbe des hohen Zauns. Wir stehen am Eingangstor der „Platanera Río Sixaola“, einer für die ökologische Produktion und faire Arbeitsbedingungen mehrfach ausgezeichnete Bananenfinca im Süden Costa Ricas, unmittelbar an der Grenze zu Panama und hören musikalische Klänge.
Die Wolken hängen tief, ein kleines Vordach schützt uns vor den anhaltenden Kübeln. Ohne Unterlass schüttet es seit dem Morgen bei schwülen 30 Grad. Geduldig warten wir auf die Besuchserlaubnis. Durch den Zaun erkennen wir junge Männer, die im Takt der Musik Bananenstauden in Kartons verpacken.
Anfang Januar telefonieren wir mit dem Gründer und Inhaber der Farm. Schon öffnen sich die Tore und Herzen. Während der zweistündigen Führung durch das Betriebsgelände und die Pflanzungen decken sich die positiven Eindrücke mit dem Internetauftritt der Farm, die täglich ca. 20 t Bananen verpacken lässt.
https://bananen.de/de/home
In Gummistiefeln und mit der Machete ausgerüstet, begleitet uns fachkundig José Sevilla. José stammt aus San Carlos in Nicaragua. Einst Arbeitsmigrant, lebt er seit 18 Jahren in Costa Rica, verheiratet mit einer Frau der indigenen Volksgruppe der Bri Bri.
„Ich arbeite seit zweieinhalb Jahren hier auf der Platanera. Niemals zuvor hatte ich einen solchen Chef. Don Volker bezahlt die Arbeitenden gut und zahlt pünktlich, alle 120 Mitarbeiter sind sozialversichert. Volker kümmert sich ganz persönlich um die Menschen, wenn es Probleme gibt. Und er liebt die Tierra, die Erde. Keiner Pflanze, keinem Tier fügt er Leid zu.“
Viele Ticos der Region, die wir kennenlernen, nennen Volker achtungsvoll „Volker, el Aleman.“ Weder auf der Homepage noch auf der Finca entdecken wir den Nachnamen oder eine Fotografie. Stattdessen trägt das Gelände die Handschrift eines sozial engagierten Umweltschützers, der konsequent beweist, eine andere Welt ist möglich, auch in Anbau und Export der in Europa ach so begehrten Frucht.
Die Bananen der „Platanera Sixaola“ reisen von Puerto Limon zur Direktvermarktung nach Deutschland. „Volker hat die Kontakte zum Handel in Europa. Andere Bananenproduzenten verkaufen das Obst zu weitaus schlechteren Bedingungen an Zwischenhändler“, wird uns mitgeteilt.
Der 8- Stunden-Tag ist die Regel. Bevor die Männer die Früchte verpacken und Frauen sie in Wannen sortieren, haben Mitarbeitende die Qualität der Ernte mit einem Messgerät geprüft. Die Größe der Früchte sei entscheidend. Warum verstehen wir auch bei der zweiten Nachfrage nicht.
Unter der Schutzkleidung tragen die Angestellten Hemden, die mit ihren persönlichen Namen gekennzeichnet sind. Die Handgriffe sitzen, die Arbeit geht schnell voran, die Menschen wirken konzentriert, aber nicht hektisch. Mindern karibische Rhythmen den Stress?
„Die meisten Mitarbeitenden stammen aus der Region, aus dem nahen Städtchen Bri Bri und aus Panama “, erklärt uns José. Nur der Fluss Sixaola trennt die Plantage von Panama. „Unsere Platanera ist als Arbeitgeber sehr nachgefragt, schon wegen der Bezahlung und des guten Arbeitsklimas. Arbeitende erhalten mindestens 20 Dollar am Tag. Das reicht zum auskömmlichen Leben, denn die Lebenshaltungskosten in Costa Rica sind hoch.“
Transportbänder, Flaschenzüge, ein dichtes Netz an Seilbahnen in den Pflanzungen entlasten. Die Arbeit verlangt viel Muskelkraft. Eine Staude kann bis zu 40 Kilogramm wiegen. Im zaghaften Versuch, sie zu schultern, scheitern wir. Vielleicht fehlt die Übung, die sperrige Staude zu „händeln“.
Binnen zweier Stunden erleben wir auf der Finca, wie viel Kraft, Weisheit und Erfahrung in einer Banane stecken. Ökologische Methoden beugen dem Pilzbefall und Krankheiten vor. Mit artenreichen Bepflanzungen begegnet die Farm möglichen Schädigungen des Bodens durch eine Monokultur. Selbst die gefürchteten blauen Tüten rund um die Stauden sind am Río Sixaola biologisch abbaubar und statt pestizidgetränkt mit Knoblauch und Chili behandelt.
Josés Begeisterung für „seinen“ Betrieb überträgt sich auf uns als Besucher. Er zeigt uns stolz neue Setzlinge, bepflanzte Gräben zum Schutz der Stauden, ein Fledermaushotel, Wiederaufforstungsprojekte mit geplanten 80 000 Bäumen, ausgewiesene ökologische Freiflächen und, und, und…
Wie selbstverständlich greifen wir in deutschen Supermärkten nach den Bio-Etiketten, im Wissen, dass wenigstens Chiquita, Nachfahre der United Fruit Company seit rund 20 Jahren im grünen Costa Rica mit dem Rain-Forest-Siegel auf Druck der Konsumenten sowie der Landarbeitergewerkschaft weitgehend oder ganz (?) auf Pestizide verzichtet. Gleichwohl liegen Löhne und Arbeitsrechte weiterhin im Argen. Die Arbeitenden zahlen den Preis für unsere Billigbananen und für die Profite im Handel.
Die Platanera Rio Sixaoala zeigt, wie bio und fair gelebt wird.
Vor dem Ausgang durchstreifen wir Sozialräume, die mit Kicker und nettem Mobiliar ausgestattet sind.
Überall an den Wänden entdecken wir Plakate und Inschriften. Sie bilden die Vision und grundlegende Regeln des Miteinander im Unternehmen ab. Gerne wären wir mit Mitarbeiter_innen tiefer ins Gespräch gekommen.
Für den Feierabend ist es zu früh. Und José entführt uns im Pickup zum Grenzfluss Sixaola.
Auf der Fahrt treiben uns im Gespräch weitere Fragen um.
Wie stark ist die Belastung der Böden und Flüsse durch die Agrarmultis und einheimischen Kleinproduzenten?
Hat Sixaola eine Leuchtturmfunktion für faire Arbeitsbedingungen und nachhaltige Produktion in der Region?
In wie weit können wir den ProPlanet- Bananen im REWE- Markt vertrauen, die aus Panama und Costa Rica stammen und seit 2010 die Einhaltung von sozialen und ökologische Standards versprechen? Greenwashing oder Realität?
Am Flussufer angekommen, zeigt uns José Schäden am Deich, die durch enorme Wassermassen des tropischen Regens ausgelöst wurden. 2018 habe es sehr viel Regen gegeben, der im Jahr zuvor ausgeblieben sei. Es werde wärmer. Ein Neubau des Deiches stehe an.
Zum Abschied begrüßt uns der stärkste Mitarbeiter der Farm, ein mächtiger Büffel, der Lasten durch unwegsames Gelände zieht. José genießt sichtlich den Umgang mit dem Tier, das uns etwas misstrauisch beäugt. „Auch er gehört zu unserer Belegschaft und wird gut behandelt“, versichert er uns lachend.
Die blaue Murmel lacht mit, beeindruckt vom Gleichklang zwischen Ökonomie und Ökologie, von der Achtsamkeit gegenüber der Natur und den Menschen rund um die Platanera Río Sixaola.
P.S. mit tagesaktueller Pressemeldung:
2018 sank die Bananenproduktion in Costa Rica um 3%. Die Einbuße betrug 4-5 Millionen Kisten. Infolge des Klimawandels kam es zu Überschwemmungen im Februar, Starkregen im Juli und per se die ungleiche Verteilung des Regens.
Quelle: LA NACION, 04.01.2019
Zum Weiterlesen:
https://www.suedwind-institut.de/index.php/de/bananen-461.html
Guten Morgen und einen schönen Sonntag – schön, wieder was murmeliges lesen zu dürfen. Die Bananenplantage scheint ja doch auch zu den mutmachenden Dingen in Mittelamerika zu gehören – auch wenn mir in dem Video ein paar Schlangen zuviel vorkamen… Danke für die tollen Berichte.
Martin und die 2 und 4-Bein-Brut
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