„Ach, Mexiko gehört zu Nordamerika?
Ach, die offizielle Arbeitslosigkeit beträgt nur 3 Prozent?
Ach, die Wirtschaft wächst seit Jahren durchschnittlich um 7 Prozent?“
Geblendet reiben wir uns die Augen. Auf den ersten Blick passen die Informationen nicht. Denn die Krise ist allgegenwärtig. Höchste Zeit, dass wir auf unserer Reise durch die armen Bundesstaaten Oaxaca und Chiapas den Blog mit wirtschaftlichen Fakten füllen.
Die HighTech – Industrieproduktion und moderne Dienstleitungsbranchen sind vor allem im Norden angesiedelt. Eine subsistenzorientierte Agrarwirtschaft, traditionelle Handwerksbetriebe und das Kleingewerbe prägen den Süden.
Das 1994 in Kraft getretene Freihandelsabkommen NAFTA kettet die Ökonomie zu ungerechten Bedingungen an den Nachbarn im Norden. Mit über 80 Prozent sind die USA der größte Handelspartner, gefolgt von China mit mittlerweile 7 Prozent und der Europäischen Union mit ca. 5 Prozent.
Der Tragödie nächster Akt- gestern, am 30.11.2018 unterzeichnet der scheidende mexikanische Präsident Nieto an seinem letzten Tag im Amt! die Neuauflage des NAFTA- Abkommens, von Trump diktiert. Der Ort des Geschehens: Der G20- Gipfel in Buenos Aires.
Der Ausverkauf des Landes geht weiter: Low- Budgetjobs in der Fertigungsindustrie in zollfreien Produktionszonen, die Privatisierung des Wassers und des Energiesektors, das Beuteschema kanadischer Minengesellschaften, die Überschwemmung des Agrarmarktes mit US- amerikanischer Überproduktion.
Nach Mexiko, Ursprungsland des Mais und reich an Maissorten, dringt gentechnisch beeinflusster Futtermais ein. Die US- Wirtschaft nutzt Mexiko als Billiglohnland, die Löhne betragen nur ein Achtel des US- Durchschnittslohns, Arbeitsrechte und -schutz werden klein geschrieben. Umweltschutz bleibt ausgeblendet.
In Zeitungskommentaren, Diskussionen, Gebeten in der Kirche und auf Demonstrationen wird in Südmexiko die Kritik am Neoliberalismus und seine bitteren Folgen für die Kleinbauern laut.
Arbeitssuche prägt den Alltag, die Unterbeschäftigung zehrt. 60 Prozent der Menschen haben kein festes Beschäftigungsverhältnis und verdingen sich auf Abruf, verkaufen Selbstgebackenes, Tortilla, geschälte Kaktusfrüchte. Auch die Mittelschicht Mexikos ist extrem armutsgefährdet.
46 % der Mexikaner_innen gelten als arm und müssen mit weniger als 5 Dollar täglich auskommen. Der Mindestlohn beträgt 79 Pesos (umgerechnet fast 4 Euro) am Tag und liegt damit unterhalb der Armutsgrenze. In Supermärkten treffen wir auf Wachpersonal mit Maschinengewehr im Anschlag, um Plünderungen zu verhindern. In den letzten Jahren kam es häufiger dazu.
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Trotz aller UN- Nachhaltigkeitsziele putzen Kinder Schuhe. Schon Fünfjährige verkaufen Kaugummi, sie werden zu harten landwirtschaftlichen Arbeiten herangezogen. Jedes zehnte Kind besucht keine Schule, laut UNICEF ist fast jedes zweite der 40 Millionen Kinder von Armut betroffen, vor allem in den ländlichen und indigenen Gebieten.
Ein Rekord: 2017 betrugen die Rücküberweisungen von Angehörigen aus dem Ausland 29 Milliarden Dollar laut der mexikanischen Zentralbank. Das Erdöl stand mit 17,6 Milliarden Dollar an zweiter Stelle vor dem Tourismus. Trumps Ankündigungen, Migrant_innen abzuschieben, führt zu doppeltem Stress. Die Rücküberweisungen sind rapide gestiegen, weil Menschen künftig auch um diese Einnahmequelle fürchten.
Seit 2012 hat sich u.a. durch den Preisverfall des Erdöls die wirtschaftliche Lage deutlich verschlechtert. Die Löhne stagnieren, die Inflation im Bereich der Wasser-, Energie- und Transportkosten wirkt besonders bitter für die Menschen, die oftmals weite Wege zurücklegen müssen. Ein Liter Benzin kostet heute mehr als 20 Pesos (1 Euro). Vor 2 Jahren lag der Preis noch bei 14 Pesos.
Trotz Wachstum steigt die Armut. 1% der Superreichen verfügen über 1/3 des nationalen Vermögens. Das Kapital wird ins Ausland transferiert, Steuerzahlungen werden ignoriert.
Betriebe stellen Arbeitnehmer nur für 4 Wochen ein, um keine Sozialabgaben zu zahlen. Die offizielle Arbeitslosenstatistik von 3 Prozent „zählt“ nur die Menschen, die in der Sozialversicherung erfasst sind. Mexiko ist zudem der einzige Staat der OECD ohne Arbeitslosenversicherung.
Überwiegend korrupte „gelbe“ Gewerkschaften handeln mit den Arbeitgebern Schutzverträge ohne Wissen und Einflussmöglichkeiten der Beschäftigten aus, übrigens auch mit dem BMW- Konzern, der 2019 ein neues Werk in Mexiko eröffnet. Bevor der erste Arbeitsvertrag zustande kommt, ist die 48- Stunden- Woche festgeschrieben, die Löhne liegen zwischen 200 Euro und 350 Euro. Die Gründung freier Gewerkschaften? Eine Fehlanzeige.
„Suchen Sie nach billigen Arbeitskräften? Gehen Sie nach Mexiko, nicht nach China!“ schrieb die Financial Times im Februar 2017. Der durchschnittliche Stundenlohn liegt in Mexiko mittlerweile um 42 Prozent niedriger als in China.
Seit dem Jahr 2000 bestehen zudem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mexiko, die Menschenrechtsgrundsätze in der Präambel blieben bloßes Papier. 2017 wurde der Vertrag erneuert. Immerhin leben in Mexiko 123 Millionen potentielle Arbeitskräfte und Konsumenten.
Übrigens, 1900 deutsche Unternehmen sind in Mexiko vor Ort. Das Handelsvolumen mit Deutschland betrug 2017 18 Milliarden Euro. Käfer kurven durch die Straßen, Pharmakonzerne werben mit großen Plakaten, Monsanto droht mit Bayer, das Saatgut zu beeinflussen.
Des Weiteren blühen Waffengeschäfte. Endlich steht der schwäbische Waffenhersteller Heckler &Koch in Stuttgart wegen illegaler Lieferungen von Sturmgewehren vor Gericht.
Zum Weiter- Lesen, Über- Prüfen, Hinter- Fragen, Auf- Regen, Kommen- Tieren:
- http://fact.international/2017/02/chinese-wages-now-higher-than-in-brazil-argentina-and-mexico/ 27.02. 2017
- https://www.npla.de/poonal/neuer-rekord-von-rueckueberweisungen-an-mexikanische-familienangehoerige/
- https://www.tagesschau.de/ausland/eu-mexiko-handelsabkommen-101.html
- https://www.fdcl.org/wp-content/uploads/2017/05/FDCL_EUMEX_FTA_web.pdf
- http://www.aufschrei-waffenhandel.de/daten-fakten/empfaengerlaender/mexiko/