Sofia, Camila und die Straßenkinder

Oaxaca, 27.Oktober 2018. Im Gemeindezentrum der Franziskaner versammeln sich über 80 Menschen, die aus Mexiko-Stadt, dem Umland von Oaxaca und wie wir aus Deutschland angereist sind. Die fröhliche Feier beginnt mit dem zapotekischen Brauch, Menschen mit der Erde zu verwurzeln, indem die Paten und Patinnen, begleitet durch die Hebamme die Nabelschnüre vergraben.

Rund um den improvisierten Altar warten 2 Ceiba- Bäumchen als symbolische Heimstatt für die vierjährige Sofia und Camila, kurz vor ihrem zweiten Geburtstag.

Die Hebamme Yolanda hat ihr Wissen und ihr Handwerk von ihren Großmüttern erlernt. In ihrer Gemeinde, eine halbe Stunde von Oaxaca entfernt, begleitet sie Frauen bei Hausgeburten sowie während der Entbindung in Krankenhäusern der Stadt, wenn die Gynäkologen dies zulassen.

„Lebt eure Bräuche, vergesst nicht eure Geschichte inmitten der schwierigen Zeiten des Neoliberalismus“ appelliert sie an die Teilnehmenden.

Während wir den qualmenden Copal mit katholischem Weihrauch verbinden und uns der mit Tortilla, Amaranth, Mezcal, Bohnen, Kaffee, Mais, Schokolade und Blumen gedeckte Altar an das Erntedankfest erinnert, ist die Pirouette für uns neu. Wir drehen uns einmal um 360 Grad im Kreis, um uns bewusst den  Himmelsrichtungen zuzuwenden, der Sonne im Osten als Lebensspenderin, den Winden des Westens, dem Norden als dem Reich der Toten und zuletzt dem Süden, der mit der Saat und der Ernte verbunden wird.

Später höre ich von indigenen Frauen in Mexiko, die ein Stück der Placenta essen oder die getrocknete Nabelschnur in die Bäume hängen, damit sie mit den Vögeln den Himmel erreichen. Unser Erdendasein gilt nur als kleine Etappe.

Mit den Eltern Brenda und Alejandro teilen wir alle Freude und die vielen guten Wünsche für ihre Mädchen. Und himmlisch- ja wunderbar ist allemal das Fest! Bei üppigem Essen, reichlich Mezcal, der Blasmusikkapelle aus Sinaloa, der tanzenden Festgemeinschaft von Jung und Alt und spannenden Gesprächen haben wir uns bis in die frühen Morgenstunden vergnügt.

Für das große Fest unserer Gastgeber gibt es einen zweiten Anlass – die Taufe der kleine Sofia. Noch müssen die in Schokolade gekochten pikanten Hühnchen a la Mole auf uns warten.

Die Taufgäste, darunter viele Weggefährten aus den christlichen Basisgemeinden beschäftigt vor allem die Situation der Straßenkinder. Viele Freund/-innen und Familienangehörige von Brenda und Alejandro arbeiten ehrenamtlich mit den Familien der Müllsammler in der Hauptstadt wie im Bundesstaat Oaxaca, um die Menschen bei der Suche nach einem würdigen Leben zu unterstützen. Mercedes Sosas Lied von den Ninos der Calle erklingt. Die Gäste sind gebeten, für Straßenkinderprojekte zu spenden und erhalten ein Erinnerungsfoto an den ermordeten Erzbischof Oscar Romero aus El Salvador am Ausgang.

Sofias Eintritt in die christliche Gemeinschaft ist gewiss mit der Hoffnung verknüpft, eine Mitstreiterin für das gute Leben aller zu gewinnen. Sie brüllt- längst eingeschlafen in der langen Zeremonie- und nun erschreckt vom Taufwasser.

Autor: blauemurmel

Elisabeth Henn & Ebi Wolf 55294 Bodenheim

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