Vorspanisch. Präkolumbin. Mit zwei holprigen Adjektiven ist der zerfledderte Reiseführer in unserem Gepäck bemüht, sich den 3000 Jahren der Hochkultur anzunähern. Ausgrabungen bezeugen, dass die Maya bereits 1000 vor Chr. in Südmexiko und Guatemala lebten. Und auf der Halbinsel Yucatán lernen noch heute 30 Prozent der Bevölkerung Maya als erste Sprache in den Familien. Vorspanisch. Präkolumbin. Dabei wird die Geschichte mit der europäischen Brille gelesen- Kolumbus klingt beinah harmlos.
Im 16. Jahrhundert begann der Genozid. Spanische Waffen, die Versklavung, die katholische Zwangsmissionierung und eingeschleppte Krankheiten dezimierten die Bevölkerung drastisch. Insgesamt fielen in Lateinamerika geschätzt 80 bis 85 Prozent der Menschen dem Völkermord zum Opfer. Zugleich wurden die meisten schriftlichen Zeugnisse auf Stein und Papier ausgelöscht.
Diego de Landa, katholischer Bischof von Yucatán glaubte, Unchristliches vernichten zu müssen. Damit verstummte die hochentwickelte Schriftkultur der Maya ebenso wie mündliche Überlieferungen. Was von den Texten auf Papier blieb, riecht nach europäischem Raubgut. Einzig 3 Bücher sind erhalten und in Paris, Madrid und Dresden archiviert. Bekannt ist der Popul Vuh, die Schöpfungsgeschichte der Maya. Die Götter formten die Menschen aus Mais, unterschiedliche Körner verantworten das Diversity der Hautfarben.
Somit geben die Steine in den Ausgrabungsstätten den Archäologen viele Rätsel auf. Entschlüsselt wurde der astronomisch ausgefeilte Kalender, der 360 Tagein 18 Monaten kennt. Architektonisch spielten die Baumeister der Tempel mit dem Sonnenkalender. In der Verbindung zwischen Himmel und Erde kommt der Sonne als Spenderin von Licht und Leben eine besondere Bedeutung zu. In Chichèn Itzá finden sich Reste eines kuppelartigen Observatoriums.
Während die Ruinenstätten Palenque, Tulum und Chichén Itzáa zum Weltkulturerbe erhoben wurden, sind viele Maya der Gegenwart marginalisiert, von Armut bedroht. Die Bundesstaaten Yucatán und Campeche zählen zu den ärmsten Mexikos. Die Kinder der indigenen Landbevölkerung sind besonders verwundbar und ethnischer Diskriminierung ausgesetzt.
Im Curriculum der Schulen bleibt Maya ausgespart. Die Abwanderung in die Städte, in der mittlerweile 60 Prozent der Maya leben sowie die Migration in die USA beschleunigen den Verlust der Identität.
In den Gefängnissen Mexikos warten viele Indigene seit Jahren auf ihren Gerichtsprozess. Die Anklage steht im Zusammenhang mit Landkonflikten. Obwohl die Revolutionsverfassung von 1917 im Artikel den Bauern das Recht auf Kommunaleigentum zuerkennt- warten viele indigene
Gemeinden bis heute auf die Landzuteilung.
Nur vor Wahlen und infolge von Protestaktionen wie z. B. im Bundesstaat Chiapas zu Beginn der 90-ziger Jahre zeigen Politiker ein angemessenes Interesse an den indigenen Belangen. Beeindruckt laufen wir durch das Gran Museo de Maya, das 2012 in Mèrida eröffnet wurde. Die Geschichte wird hier von der Gegenwart ausgehend rückwärts aufgerollt, didaktisch ausgefeilt, mit interaktiven Medien, dreisprachigen Erklärungen und wertvollen archäologischen Funden aus dem Alltag und dem künstlerischen Schaffen. Ein Volk in der Vitrine?
Wir fragen uns, ob es um es die Zurschaustellung der Lebensweise geht sowie um touristische Anziehungspunkte – oder ist ein schrittweiser Wandel in Politik und Gesellschaft gegenüber den Maya als anzuerkennende Minderheit erkennbar?
Der designierte Präsident AMLO kündigt Befragungen und Abstimmungen an, um bereits in der Verfassung verankerte Rechte der Indigenen unter ihrer Beteiligung ab Dezember 2018 umzusetzen. Wird ihnen zukünftig in Konflikten rund um Rohstoffabbau, Wasserprivatisierung, Staudammbau und touristische Großprojekte Selbstbestimmung oder wenigstens ein Vetorecht zugestanden?