6 prachtvolle Exemplare zeigt uns Jean-Marie. Die Tochter Rose beleuchtet mit dem Smartphone den Weg zum Hühnerstall. Wir balancieren an Schlammpfützen vorbei durch den Hof. Vor einer Stunde entlud sich der letzte Wolkenbruch.
Graue, braune gepunktete Hennen brüten. Küken gehen in den Verkauf. Unser Gastgeber drückt uns eine große Schale mit Hühnereiern in die Hand. „Sagt morgen Früh dem Koch im Hotel, dass er euch daraus Omelette zubereitet.“ Der 54-jährige spricht fließend Französisch, er wuchs im Kongo auf. Die Familie kehrte vor 20 Jahren wie viele andere nach dem Genozid aus dem Exil zurück.
Die Hühnerzucht dient Jean-Marie als Nebenerwerb wie auch das große Gartenstück. In einem Stadtviertel Rwamaganas bauen ca. 400 Anwohner großflächig gemeinsam Gemüse an. In der Fruchtfolge wechseln sich Mais und Bohnen ab. Der Mais wird in der nahegelegenen Mühle zu Mehl verarbeitet.
Weil Jean- Marie neben der Vollzeittätigkeit in einem gehobenen Mittelklassehotel keine Zeit zur Bewirtschaftung bleibt, unterstützt ein Nachbar die Familie tatkräftig gegen Entlohnung.
Fruchtbar ist die Erde nur mancherorts im grünen Hügelland Ruanda mit 12 Millionen Einwohnern. Um ein Drittel größer als Rheinland- Pfalz wird die Fläche geschätzt. Nährstoffarme, saure Böden und der Klimawandel erschweren die Versorgung. Die regionalen Unterschiede sind groß. Dennoch exportiert das rohstoffarme Ruanda neben Wolfram und Coltan auch landwirtschaftliche Produkte, Blumen, Kaffee und ausgezeichneten Tee, den wir auf dem Sofa genießen. An unserem ersten Tag in Ruanda lud uns Jean-Marie spontan zu sich nach Hause ein.
Eine trilinguale Teestunde, mit den 4 Kindern gelingt die Kommunikation auf Englisch, das bereits in der Grundschule ab der vierten Klasse in einzelnen Fächern als Unterrichtssprache fungiert. Für Mama Chantal werden die neugierigen Fragen der Muzungu auf Kinyaruanda übersetzt, als sie sich nach der Rückkehr vom Fischmarkt spätabends dazusetzt.
Was bedeutet der Gedenktag am 7. April für die Jugend Ruandas nach 25 Jahren, wollen wir wissen. Die große Tochter referiert atemlos mit uns über die Vorgeschichte des Völkermordes, von der Besiedlung Ruandas vor Jahrhunderten an.
Während der deutschen und belgischen Kolonialpolitik bis 1962 wurden Gegensätze geschürt. Die Unterscheidung in angebliche Ethnien Bahutu und Batutsi, eine koloniale Erfindung.
Wichtiger als über die geplanten offiziellen Gedenkfeiern und unsere Beteiligungsmöglichkeiten mit uns zu sprechen, scheint für Rose die Regierungspolitik Paul Kagamas im Friedensprozess zu würdigen. Gacaca- Gerichte, Versöhnungsdörfer, die Entschädigung der Opfer wie die Rehabilitation der entlassenen Täter konnten den Frieden im Land wiederherstellen. „Wir setzen uns mit unserer Geschichte auseinander und schauen nach vorn.“
Die Gespräche oszillieren zwischen dem Jahr 1994 und den gegenwärtigen Plänen der Familie. Noch steht die Schüssel mit den Eiern auf dem Tisch. Wir sind verunsichert, ob wir die Gabe ablehnen können, ohne zu verletzten. Sensibel für unser Zögern baut Rose die Brücke.
Eine Einladung zum Abendessen am kommenden Abend folgt, Omelette wird versprochen. So finden wir bereits am zweiten Tag in Ruanda herzlichen Familienanschluss. „Nein, am 5. Mai sind wir schon außer Landes“, nicht imstande, den 90zigsten der vitalen Großmutter mitzufeiern. Eine sympathische Familie. Der Mann stellt uns seine Frau als „exceptionnelle“ vor. Das große Ziel der Eltern: „Die Kinder sollen eine sehr gute Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben, bevor sie selbst eine Familie gründen.“
Unter dem afrikanischen Sternenhimmel spazieren wir zurück ins Hotel, von der Familie gastfreundlich von Tür zu Tür eskortiert. „Ruanda ist sicher, als Frau kann ich mich 24 Stunden täglich allein auf der Straße bewegen“, versichert uns Rose. Trotz alledem zucken wir merklich. Denn zahlreiche Lastwagen donnern vorbei. Die Straße verbindet Ruanda mit Tansanias Häfen, eine Rennbahn für Import- und Exportgeschäfte. Sicher war es gut, dass vor dem Verlassen des gastlichen Hauses Vater, Mutter und Kinder beim Abschied ein Gebet für uns sprachen.