Marihuana in Hand der Frauen

19.11.2018 -7 Stunden dauert die Busfahrt von Mexiko- Stadt nach Oaxaca. Unterwegs geraten wir unvorhergesehen in eine Straßensperre. Arbeitnehmer _innen wurde die Lohnauszahlung verweigert. Sie blockieren die Autobahn in beide Fahrtrichtungen. Transparente demonstrieren den Grund der Empörung. Die Verkehrsteilnehmenden nötigt man zu einer eher symbolischen finanziellen Unterstützung. Umgerechnet 5 Euro zahlt unsere 50-köpfige Busgemeinschaft gemeinsam.

Zurück im rebellischen Oaxaca fängt uns Alejandro bereits an der Haustür ab und entführt uns im warmen Spätnachmittagslicht an den Fuß des Monte Albans. Unter dem grünen Hügel schlummern 90 Prozent der einstigen zapotekisch- mixtekischen Hauptstadt, Relikte aus Blütezeiten zwischen 300 und 900 nach Christus.  Hunde bellen, Grillen zirpen, der mexikanischen Gegenwart zugewandt biegen wir zu einem Wohnhaus ab.

Auf einer Feuerstelle köcheln Marihuana und Knoblauch. 20 Menschen fanden sich auf einer Veranda zusammen. Die Basisgemeinde des Stadtteils Montoya bietet regelmäßig Workshops zu religiösen und alltagspraktischen Themen an. Heute geht es um Naturheilverfahren. Der Knoblauch duftet. Das Wundermittel hilft bei Entzündungen der Haut, Abszessen, Akne, Herpes, Haut- und Nagelpilzpilz. Es schützt vor Mückenstichen sowie Hautkrebs. Knoblauchsalbe hält die Haut natürlich jung. Durch reichliche Zugabe an Vaseline verzaubert Gesundheitsberaterin Adelfa das siedend heiße Marihuana in ein wirkames Schmerzmittel. Die Pflanze darf zu medizinischen Zwecken in privaten Gärten kultiviert werden. 2019 sollen Konsum und Anbau entkriminalisiert werden.

Adelfa gibt tradiertes Wissen an die Teilnehmerinnen weiter.

Lange Arbeitstage und mangelndes Engagement hielten die Männer oft ab, sich an den Aktivitäten der Basisgemeinde zu beteiligen, sagt uns Susana, Koordinatorin für die Regionen Oaxaca und Chiapas. Sie unterstützt und begleitet die 5 Basisgemeinden Oaxacas, die Kirche anders und praktisch (er)leben.

Die Bewahrung der Schöpfung, z. B. über alternative Heilmethoden und Naturkosmetika geht einher mit der Kostenersparnis für teure Pharmaprodukte.  Ein Mindestlohn von 79 Pesos alias 4 Euro pro Tag frisst das Haushaltsbudget vieler Familien. Ungeschützte Arbeitsverhältnisse lassen nicht mit einem Monatseinkommen rechnen.

„Aprendieron algo- habt ihr was gelernt?“, vergwissert sich Adelfa, in der Sorge, ob die Frauen das erworbene Wissen in das Alltagshandeln umsetzen und an nachfolgende Generationen weitergeben.
Darüber hinaus üben die Frauen, sich jenseits der Amtskirche solidarisch zu organisieren, die Botschaften der Bibel im Alltagshandel zu überprüfen. Das Verhältnis zur sehr konservativen Amtskirche sei eher angespannt, hören wir. „Wenn eine Frau in Hosen zur Kommunion erscheint, verweigert unser Priester im Barrio hier diese. Er spricht nicht mit uns auf Augenhöhe und hat wohl Angst vor dem Autoritätsverlust“.

Seit sich indigen geprägte Basisgemeinden 2006 aktiv am Volksaufstand in Oaxaca beteiligten, sind sie bei der Amtskirche in Ungnade gefallen. 26 Tote, viele Verletzte, Verhaftungen – und ein tiefer Riss zur Amtskirche waren Folgen. Die Frauen wurden als „Terroristinnen“ gebrandmarkt.

Eine entsprechende Unterstützung fehlt. Es braucht Kraft und Mut zur Selbstorganisation und Emanzipation. In Oaxacas Kathedrale hängt noch immer der polnische Papst Johannes Paul II, als ob es Papst Francisco nicht gäbe. Die Basisgemeinden kämpfen mit dem Kazikentum auf allen Ebenen- viele Frauen nehmen einerseits an den Angeboten der Basisgemeinden teil, andererseits unterwerfen sie sich den priesterlichen Autoritäten. Evangelikale und pfingstlerische Freikirchen drängen in die Barrios. Nicht zuletzt hadern die Frauen mit dem häuslichen Machismo.

Unsere Freundin und ehemalige Mitbewohnerin Brenda ergreift am Ende das Wort. Sie spannt den Bogen zu ihrem Aufenthalt in Deutschland, der sie für die Notwendigkeit eines ökologischen und nachhaltigen Lebensstils verstärkt sensibilisiert habe. Brenda appelliert an die Eine Welt, die ein solidarisches Miteinander brauche. Migration ermögliche es, voneinander zu lernen, Konzepte der Moderne in Frage zu stellen, weltweit gemeinsam nach Lösungen zu suchen, um den Planeten zu schützen und auch Zugewanderten human zu begegnen, gleichgültig ob es um die Karawanen aus Zentralamerika oder Kriegsgeflüchteten aus Syrien und Afghanistan in Deutschland gehe.

Die Versammlung schließt mit einem Gebet. Gerührt von Brendas Worten und berührt vom Engagement der Gemeindemitglieder verabschieden wir uns herzlich.

Autor: blauemurmel

Elisabeth Henn & Ebi Wolf 55294 Bodenheim

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