Wo ist der Fernseher? Hier nicht. Alfonso schlägt mit der Machete den Weg zum Wasserfall frei. Auf 2000 Meter Höhe wandern wir durch die dichte, urwaldähnliche Vegetation am glitschigen Hang. Die vierjährige Sofia springt wie ein Zicklein über die steilen, schmalen Pfade. Die Eltern geraten notgedrungen ins Schwitzen. Sie balancieren die kleine Schwester und einen Picknickrucksack auf den Schultern. So erhalten die Mädchen Umweltbildung von Anfang an.
30 km nördlich der Bundeshauptstadt Oaxaca liegt ein kleines Paradies der Biodiversität. Durch den Ecotourismuspark „Parque Ecoturistico Las Cieneguillas“ führt uns der Forstwirt Alfonso. Mit einem Lachen beschreibt er Schulklassen, die vergeblich nach einem Fernseher und Wlan fragen.
Schautafeln zeigen Pumas, Rehe, den Jaguar, Wildschweine, Stinktiere und andere Bewohner des Berges. Dauergäste haben vielleicht eine Chance, den Tieren zu begegnen. Zwei Hütten beherbergen die Übernachtungsgäste. An die Eröffnung eines Campingplatzes wird gedacht. Alfonso hofft auf staatliche Förderung für den weiteren sanften Ausbau des Terrains. Denn Las Cieneguillas bietet den Städtern aus Oaxaca und nationalen wie internationalen Touristen eine grüne Lunge bei freiem Eintritt. Allerdings müssen sich die Besucherzahlen in Grenzen halten, um das ökologische Gleichgewicht nicht zu stören.
Die Kommunen San Gabriel Guelache und San Miguel, Etla stemmen das Projekt seit 10 Jahren aus Eigenmitteln, indem die Menschen „“Tequio“ leisten, unentgeltliche Arbeit für die Gemeinschaft, z. B. für die nachhaltige Holzwirtschaft, den Restaurantbetrieb, geführte Wanderungen, Mountainbike- und Bootstouren auf dem kleinen See. Durch die Selbstorganisation der Kommunen finden viele Menschen ein Einkommen. Und der Zusammenhalt wehrt die organisierte Kriminalität der Drogenkartelle ab.
Alfonso arbeitet hier an Wochenenden unentgeltlich. Nach seinem 5-jährigen Studium fand er bislang keine Festanstellung – „Mir fehlen die nötigen Kontakte, Stellen vergibt man oft über Beziehungen“, gibt er achselzuckend preis. So schlägt er sich mit Gelegenheitsjobs durch und führt im Rahmen des Freiwilligendienstes sachkundig die Besucher durch den grünen Pelz mit Kopf, Herz und einer konkreten Vision. Er karthografiert, um Wege zu markieren und dem Wandertourismus Schwung zu geben.
Mexiko in Licht…
In den Bergen rund um die Stadt Oaxaca bieten weitere Kommunen vergleichbare Ökotourismuskonzepte an. Laut Experten verfügt Mexiko über eine umfassende Umweltgesetzgebung und Strategien zum Umweltschutz sowie umfangreiche Projekte der Wiederaufforstung. 68 Nationalparks und 37 Biosphärenreservate sind ausgewiesen.
…und Schatten
Die Umweltzerstörung schreitet ungebremst voran. Laut einer Studie der Heinrich-Böll- Stiftung von 2017 steht Mexiko weltweit an erster Stelle beim Artensterben. Etwa 600 000 ha Wald und Urwaldfläche gehen jährlich verloren. Aktuell sind noch 17 Prozent des Landes bewaldet, vor 100 Jahren war es noch die Hälfte. Quelle: https://www.boell.de/de/2017/06/30/mexiko-wirtschaftswachstum-versus-menschenrechtskrise-im-schatten-der-usa-unter-trump (aufgerufen am 06.11.2018)
So brennt auch im Bundesstaat Oaxaca an vielen Orten das Problem des illegalen Holzeinschlages. Nachts kurven überladene Holztransporter ohne Licht überland. Gegenwehr zeigt sich, sie kann tödlich sein. Eine indigene Umweltaktivistin wurde am 17. Januar 2018 in Michoacán ermordet. Der Nationale Indigene Rat (CHI) fordert, den Zusammenhang zwischen ihrer Ermordung und ihren Umweltaktivitäten zu untersuchen. In ihrer Gemeinde Cherán wurden bereits 20 000 von 27 000 ha Wald verwüstet.
Sind Ökotourismusprojekte kleine oder keine Tropfen auf heiße Steine? Die blaue Murmel rollt weiter – für den Klima- und Umweltschutz demnächst an den Pazifik.